GRIMBERG am 12. Juni 2019 Um RentnerInnen weiter von der Gebührenpflicht zu befreien, müsste die BBC Programme dicht machen

12. Juni 2019, 14:46 Uhr

Seit 1999 zahlt in Großbritannien der Staat die BBC-Gebühren für über 75-Jährige. Damit soll Mitte 2020 Schluss sein. Jetzt regt sich Widerstand – auch bei den Konservativen, die hinter der Abschaffung stecken.

Seit Mitte der 1990er Jahre hatte die in Großbritannien regierende Labour-Partei die kulturelle Teilhabe für ärmere und ältere Menschen im Land zu verbessern versucht. Dazu gehörte neben freiem Eintritt in die meisten staatlichen Museen auch die Abschaffung der Rundfunkgebühren – der so genannten „Licence Fee“ – für Menschen über 75 Jahren.

Staat gleicht fehlende Summe bislang in voller Höhe aus

Um die British Broadcasting Corporation (BBC) aber nicht über Gebühr zu belasten, glich der Staat die Einnahmeverluste in voller Höhe aus. Vor drei Jahren beschloss die mittlerweile von den Konservativen („Tories“) gestellte Regierung, diese Regelung aufzukündigen – und schob den schwarzen Peter der BBC zu. Ihr wurde zwar einerseits eine geringfügige Erhöhung der Rundfunkgebühr auf 154,50 Britische Pfund (umgerechnet rund 174 Euro) zugestanden, dafür sollte sie aber prüfen, ob sie ab Juni 2020 die Befreiung für Rentnerinnen und Rentner alleine schultert.

Veraltetes „Licence-Fee“-Modell

In Großbritannien muss nur eine „Licence Fee“ für den Fernsehempfang gezahlt werden, die – wie die alte Rundfunkgebühr in Deutschland – an den Besitz eines oder mehrerer Empfangsgeräte gekoppelt ist. Aktuell gibt es fünf TV-Programme: BBC One, BBC Two, BBC Three (wie funk in Deutschland nur Online), BBC Four, einen Nachrichtenkanal sowie regionale Fernsehprogramme für Schottland, Wales und Nordirland. Radio ist kostenlos, für die Nutzung der BBC-Mediathek BBC iPlayer muss bezahlt werden, doch Kontrollen sind hier schwierig. Dieses System ist veraltet und sollte längst modernisiert werden – theoretisch gibt es sogar noch eine ermäßigte „Licence Fee“ für Schwarz-Weiß-Fernseher – doch darauf konnte sich die britische Medienpolitik bislang nicht einigen.

BBC: Ein Fünftel des Budgets würde fehlen

Nun hat die BBC bekannt gegeben, womit alle gerechnet haben: Sie sieht sich nicht in der Lage, auf die Zahlungen aller über 75-Jährigen zu verzichten. Dies wären nach aktuellen Schätzungen knapp vier Millionen Menschen. Ein solcher Einnahmeausfall in Größenordnungen von 600 - 700 Millionen Pfund (670 - 780 Millionen Euro) macht nach BBC-Angaben rund ein Fünftel ihres Gesamtbudgets aus und würde den Wegfall diverser Radio- und TV-Angebote zur Folge haben.

Kompromissvorschlag für Menschen mit kleiner Rente

Ihr Kompromissvorschlag sieht vor, dass Menschen über 75 Jahre, die eine so kleine Rente haben, dass sie Anspruch auf zusätzliche Zahlungen – dem sogenannten „Pension Credit“ – haben, weiter befreit bleiben. Allein dies würde laut BBC auf bis zu 1,3 Millionen Menschen zutreffen und rund 250 Millionen Pfund (280 Millionen Euro) kosten. Auch dies wäre damit de facto eine Kürzung des BBC-Budgets.

Streit zwischen Labour und Konservativen

Medienminister Jeremy Wright von den Konservativen sagte, er sei sehr enttäuscht. Die BBC müsse „nun mehr tun, um alte Menschen zu unterstützen“. Die oppositionelle Labour-Partei wies dagegen darauf hin, dass es Wrights Regierung war, die der BBC und den Rentnerinnen und Rentnern diese Suppe eingebrockt hat.

Umdenken bei einigen Kandidaten für den Parteivorsitz der Tories

Hier ist das letzte Wort allerdings noch nicht gesprochen. Bis Juni 2020 bleibt die Befreiung für alle über 75 Jahren bestehen – und bis dahin könnte sich das politische Klima in Großbritannien schon wieder verändert haben. Auch und gerade in der Konservativen Partei. Nach dem Rücktritt von Premierministerin Theresa May als Parteivorsitzende, suchen die Tories ja gerade eine neue Parteispitze. Von den zehn Kandidatinnen und Kandidaten haben bislang drei erklärt, dass sie an der vollen „Licence-Fee“-Befreiung für Menschen über 75 Jahren auch nach dem nächsten Sommer festhalten wollen. Denn schließlich ist die Stammwählerschaft der Konservativen schon heute im Durchschnitt über 70 Jahre.