Notbremse in der Straßenbahn
Die Notbremse aus Übermut zu ziehen, ist strafbar. Bildrechte: IMAGO / Michael Gstettenbauer

Der Redakteur | 25.04.2024 Notknöpfe und Notbremsen – Hilfe für den Ernstfall im ÖPNV und im Fahrstuhl

25. April 2024, 16:19 Uhr

Es war der Klassiker. Anna, junge Mutter aus Erfurt, war mit zwei Kindern in der Erfurter Straßenbahn unterwegs. Am Thüringenpark kam sie mit dem Kinderwagen nicht rechtzeitig raus, die sechsjährige Tochter aber schon. Ergebnis: Mama fuhr weg, die Tochter blieb zurück – ein Fall für die Notbremse?

Zunächst ist die Geschichte gut ausgegangen, eine ältere Dame hat sich um das weinende Kind gekümmert, die Familie war schnell wieder vereint. Hätte Anna die Notbremse betätigt, hätte ihr wohl auch niemand einen Strick daraus gedreht. Trotzdem sollte man wissen: Die Notbremse ist als Noteinrichtung für Notfälle gedacht, also wenn es um Leben und Gesundheit geht.

Ein Fahrgast in der Straßenbahn hält sich an einer Halteschlaufe fest. 5 min
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Etwas "leichtere" Fälle können über den Notsprechknopf geregelt werden. Das ist in der Straßenbahn ein silberner Knopf hinter der Fahrerkabine. Auch in den Anhängern, korrekt "Beiwagen" genannt, gibt es diesen Knopf, um mit dem Fahrer in Kontakt zu treten. Der hat auch über seine Leitstelle die Möglichkeit, Polizei und Rettungskräfte zu alarmieren.

Es ist immer eine persönliche Abwägungssache, was ist ein Notfall und was nicht. Es gibt aber auch die Möglichkeit, den Notsprechknopf zu drücken und eine Verbindung zum Fahrer herzustellen.

Hannes Sperling, Sprecher Stadtwerke Erfurt

Was gilt in der Bahn?

Auch die Thüringer Nahverkehrszüge sind mit einer Notsprechstelle ausgestattet. Auch hier ist es ein silberner Knopf, über den man direkt eine Sprechverbindung zum Fahrer aufbauen kann, erklärt Thomas Grewing Betriebsleiter Erfurter Bahn.

Bei Straßenbahn und Eisenbahn ist die Notbremse auch wirklich eine Bremse, die also direkt wirkt. Dessen sollte man sich bewusst sein und man sollte deshalb gut überlegen, ob es der Sache dient, das Fahrzeug direkt zum Stillstand zu bringen.

Eine Straßenbahn fährt durch Erfurt. 5 min
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Zum Beispiel könnte bei einem medizinischen Notfall ein Halt des Zuges auf offener Strecke kontraproduktiv sein, einen Bahnhof erreichen die Rettungskräfte in vielen Fällen ganz sicher schneller, trotz vorhandener Rettungswege an den Gleisen.

Hier wäre demzufolge eine Information an den Triebfahrzeugführer mitunter die bessere Entscheidung, der Kontakt zur Leitstelle hat. Auch wenn weder Straßenbahn noch Zug nach dem Betätigen der Notbremse abgeschleppt werden müssen, also theoretisch weiterfahren können, ein Betätigen der Bremse "aus Spaß" kann teuer werden.

Die Notbremse grundlos zu ziehen, werte ich als Eingriff in den Bahnverkehr und das zieht eine Anzeige nach sich.

Thomas Grewing, Betriebsleiter Erfurter Bahn

Um zurückgebliebene Kinder oder Koffer kümmert sich bei der Bahn übrigens sehr schnell jemand, wenn man das Zugpersonal eben über die Notsprechstelle informiert.

Der Fahrstuhl - Steckenbleiben ist kein Grund zur Panik

Die Angst, dass der Fahrstuhl "stecken" bleibt, gehört sicher zu den Urängsten des modernen Stadtmenschen. Doch der Irrtum geht schon mit der Begrifflichkeit los. Der Fahrstuhl bleibt nirgendwo stecken im Sinne von festgeklemmt, sondern allenfalls stehen. Und hängen bleibt er sowieso.

Wenn nichts mehr geht, ist meistens eine Tür schuld, die nicht richtig geschlossen ist. Mal klemmt ein Steinchen oder etwas anderes und ein bisschen Vibration reicht mitunter und die Tür wird von den Sensoren als nicht mehr geschlossen erkannt. Dann bleibt der Fahrstuhl aus guten Gründen sofort stehen.

Ein Mann kauert in einem Aufzug mit Händen am Kopf
Keine Panik, der Aufzug fährt bald weiter. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Dass oft eine Tür schuld ist, liegt an der puren Anzahl und jede einzelne davon hat Sicherheitskontakte. Am Fahrstuhlkorb selbst und an den Etagentüren. Da kommt einiges zusammen. Bleibt der Fahrstuhl stehen, dann ist der Alarmknopf die richtige Wahl. Diese muss man in der Regel drei Sekunden drücken, erst dann wird die Verbindung zur Sprechstelle aufgebaut. Das erklärt auch, dass versehentliches Drücken in der Regel folgenlos bleibt und der Eindruck entsteht, das würde ja gar nicht funktionieren.

Wenn Sie den Knopf nur kurz drücken, passiert erstmal gar nichts. Allenfalls ertönt ein Warnton. Zum Aufbauen der Sprechverbindung müssen Sie den Knopf drei Sekunden drücken.

Wie lange dauert es, bis mich jemand befreit?

Eine halbe Stunde maximal, dann muss jemand vor Ort sein, so steht es im Gesetz. Schindler-Sprecher Jan Steeger erklärt, dass der Notruf auch sofort verortet werden kann. Also wenn der Knopf gedrückt wird, dann wissen die Mitarbeiter vom Notdienst sofort, welcher Aufzug das ist und auch, wo sich der nächste Techniker befindet.

Die Mitarbeiter sind zudem psychologisch geschult und werden beruhigende Worte finden. Von Selbstbefreiungsversuchen rät Jan Steeger dringend ab, dann wird es erst richtig gefährlich. Der Servicetechniker wird schnell und kontrolliert einen Weg und vor allem die passende Tür finden.

Die Bedienleiste in einem Fahrstuhl 11 min
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Bei den modernen Systemen kann er sich auch per USB anstöpseln und die Fehlermeldungen auslesen. Also die Tür mit dem kleinen Steinchen in der Schiene, ist so schnell gefunden. Da in deutschen Häusern gewöhnlich die Geschosse deutlich höher sind als die Geschossdecken dick, ist eine komplette Blockade der Türen durch eine Geschossdecke ohnehin gar nicht möglich.

Bedeutet: Der Weg nach draußen ist wirklich nur durch eine Tür versperrt und das lässt sich lösen, ggf. mit der helfenden Hand der Feuerwehr, wenn eine Person nicht mehr so gut zu Fuß ist.

Bald kommt die Befreiung per "Fernbedienung"

Derzeit sind in Systeme in Vorbereitung, die es Fachleuten auch aus der Ferne ermöglichen, die Eingeschlossenen zu befreien. Das heißt: Die Experten in der Zentrale haben dann einen so guten Überblick über die Ursache, dass man den Fahrstuhl, ohne einen Techniker vor Ort zu haben, schnell wieder starten kann.

Technisch ist das schon gelöst, rechtlich noch nicht so ganz. Trotzdem wäre dieses Vorgehen dann auch immer nur mit Zustimmung des Eingeschlossenen möglich. Wer seinem Retter um den Hals fallen möchte, kann aber weiterhin darauf bestehen, dass jemand vorbeikommt. Aber das Retten aus der Ferne wird die Zukunft sein.

Da sind noch ein paar rechtliche Hürden zu nehmen, dass wir das auch machen dürfen.

Jan Steeger, Pressesprecher Schindler Deutschland

MDR (dvs)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 25. April 2024 | 16:40 Uhr

1 Kommentar

Harka2 vor 1 Wochen

Sorry, aber die "Notbremse" ist bei der Bahn schon lange keine direkt wirkende Notbremse mehr. Ihre Auslösung führt bei modernen Bahnen lediglich dazu, dass der Lokführer ein entsprechendes Signal erhält, aber nicht, dass der Zug sofort ohne sein Zutun hält.