Bachfest Leipzig Zwischenbilanz mit dem Blick von außen

16. Juni 2023, 11:10 Uhr

Das Mahler-Festival und die Händel-Festspiele sind gerade erst zu Ende gegangen, da ging es in Leipzig bereits mit dem nächsten Festival weiter: Das Bachfest im großen Jubiläumsjahr. Mächtig viel los, alleine musikalisch. Wie werden so viele Festivals angenommen, die auch die Touristenmarke "Musikstadt Leipzig" auf dem Reisemarkt für gehobenen Städtetourismus etablieren sollen? Wie schaut man von auswärts auf sie? Ein kleiner Selbsttest während drei sommerlich-sonniger Bachfest-Tage.

Es hat sehr gemundet. Kantaten-Diarrhoe hat sich nicht eingestellt, obwohl diese, man feiert schließlich den 300. Jahrestag des Antritts von Johann Sebastian Bach als Thomaskantor, durchaus im Mittelpunkt stehen.

Was für ein Glück für die Leipziger

Es gab viel zu lernen über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Bach und seinen eigentlich ihm vorgezogenen, aber dann nicht verfügbaren Mitbewerbern Georg Friedrich Telemann und Christoph Graupner.

Da wurden die historischen Probekantaten aufgeführt, Bachs erste und zweite Leipziger Originalkantate, letztere ebenfalls im Vergleich mit den erstmals seit 300 Jahren wieder gespielten Graupner- und Telemann-Stücken. Und Bach gewann immer.! Was für ein Glück für die Leipziger – bis heute.

Das Feine am Bachfest

Frau und Mann auf Bühne
Blockflötistin Dorothee Oberlinger bei Leipziger Bachfest 2023. Bildrechte: Bach Archiv Leipzig/Gert Mothes

Jeder kann hier auf seine Art glücklich werden. Man kann Entdeckungen machen, einfach konzentriert gute Konzerte hören – vom Bach-Nachwuchs wie arrivierten Interpreten, etwa dem fein philosophisch ausbalanciert die Goldberg-Variationen spielenden Sergei Babayan oder der Blockflöten-Primadonna Dorothee Oberlinger.

Man kann aber auch lokale und Thüringer Kräfte vereint in einem Konzert erleben, das die frühen Kantaten aus Weimar in den für Leipzig aufgepeppten Versionen vorstellt.

Bach in verschiedenen Formaten

Die Fremden aus 55 Nationen werden genauso fündig wie lokale oder nationale Kenner und Liebhaber. Bach kann in verschiedenen Formaten entdeckt werden, Hardcore oder populär, groß oder intim, früh oder spät, indoor oder draußen.

Oder bei einem Ausflug in die Altenburger Schlosskirche zur berühmten Trost-Orgel, die Bach Anno 1739 Bach und für sehr gut befand. Jetzt wurde sie von Daniel Beilschmidt eine Dreiviertelstunde höchst abwechslungsreich bespielt. Und auch der Kaffeekantaten-Bach kommt mit einer Getränkverkostung zu seinem Recht.

Maul macht es möglich

Mann auf Bühne
Michael Maul, Intendant des Bachfests Leipzig. Bildrechte: Bach Archiv Leipzig/Gert Mothes

Der Bachfest-Chef ist ein Goldstück – als Intendant wie Wissenschaftler – und vor allem als Kommunikator. Mit seinem Vortrag "Leipzig sucht den Super-Cantor" zeigte er sich als hinreißender Motivationstrainer, der mir am Schluss auch noch Solo-Deo-Gloria-Globuli für teuer Geld hätte verkaufen können.

Es waren nicht die großen Namen, sondern jüngere Formationen wie die Engländer von Salomon’s Knot, die eine minimalistische aber gestisch zugespitzte Matthäus-Passion in der Nikolaikirche aufgeführt haben.

So wird das Bachfest auch musikalisch notwendig wie wichtig – und hat mehr als nur touristischen Mehrwert.

Für jeden was im Kantatenkörbchen

Ein Mahler-Festival ist vorwiegend für die Leipziger, die selten auswärtige Spitzenorchester im Gewandhaus hören können und für Mahler-Freaks. Das sympathisch-originelle Bachfest aber hat für jeden was im Kantatenkörbchen.

Da spürt man zudem – die Innenstadt ist intim – eine ganz besondere Bach-Vibranz und Festivalfreude. Das ist nicht überall so. Die Idee von 1999, wieder ein jährliches Festival auszurichten, hat sich also nicht nur bewährt, sie wurde vielfältig, intelligent und überraschend variiert.

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 15. Juni 2023 | 08:40 Uhr

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