Das Altpapier am 14. August 2023: Porträt der Altpapier-Autorin Johanna Bernklau.
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Das Altpapier am 14. August 2023 Das gefährliche Leben des Ronzheimer

14. August 2023, 10:58 Uhr

Das offizielle Gesicht des Axel-Springer-Verlags hat jetzt einen eigenen Podcast, der überrascht. Der MDR hat eine schlechte Wahl getroffen und die ARD streitet sich mal wieder. Heute kommentiert Johanna Bernklau die Medienberichterstattung.

Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Paul Ronzheimers neuer Podcast

Das "markenübergreifende journalistische Gesicht" des Axel Springer Verlags, oder auch einfach: Paul Ronzheimer, stellvertretender Chefredakteur und Kriegsreporter der "Bild", hat einen neuen Podcast. Der Name: RONZHEIMER.

Ein Name, "der die Vermutung stärkt, das es (nach all den öffentlichen Tiefschlägen der vergangenen Jahre für den Verlag) vor allem markenübergreifendes journalistisches Ronzwashing auf die Ohren geben soll", schreibt Frederik von Castell im aktuellen Übermedien-Newsletter.

Genauso liest sich auch die Podcast-Beschreibung: Ronzheimer treffe "die wichtigsten Politiker und Akteure", sei so nah dran "wie kaum jemand sonst" und nehme die Zuhörer mit in sein "verrücktes und manchmal auch sehr gefährliches Leben".

So weit, so "Bild".

Es ist natürlich etwas random und mit Sicherheit vor allem auf die Ernennung Ronzheimers als das "medienübergreifende journalistische Gesicht" zurückzuführen, dass es jetzt diesen Podcast gibt. Den Krieg gibt es ja nun schon etwas länger.   

Aber, Überraschung: Der Podcast ist gar nicht mal so schlecht. So sehr, wie von Castell ihn für "Übermedien" lobt, würde ich das zwar nicht tun, stimme allerdings damit überein, dass sich Ronzheimer "selbst nicht so wichtig nimmt, wie es der Podcasttitel befürchten ließ".

Die Antworten, die Ronzheimer seinem "Bild"-Kollegen und Host des Podcasts, Filipp Piatov, im Gespräch gibt, sind gut eingeordnet und auch verständlich für jene, die sich in den letzten Monaten nicht mehr so ausführlich mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt haben.

Als Zuhörerin ist man nah dran am Kriegsgeschehen und an Paul Ronzheimer selbst. Trotzdem wirkt die erste Folge, in der es um die ukrainische Gegenoffensive gehen soll, etwas zerstückelt.

Zwischen informativen Interviewsequenzen nimmt Ronzheimer die Zuhörer mit ans Telefon zu Vitali Klitschko oder erzählt von einem seiner "Bild"-Kommentare, den die russische Propaganda aufgegriffen haben soll. Sowohl das Gespräch mit Klitschko als auch der Kommentar tun zum eigentlichen Thema nichts zur Sache – sie zeigen aber, wie gut vernetzt und wie wichtig Ronzheimer ist.

MDR-Sommerinterview

Bereits in diesem Altpapier von letzter Woche hat sich mein Kollege Ralf Heimann mit der Frage beschäftigt, wie und ob Journalisten rechtsextremen Politikern eine solche Plattform wie die des MDR-Sommerinterviews geben sollten.

Stefan Niggemeier hat das Interview für "Übermedien" ebenfalls analysiert, allerdings mit einem anderen Schwerpunkt. Er stellt in seinem Artikel, der übrigens eine absolute Lesempfehlung ist, die Frage, die vor der des Interview-Gastes kommt – und zwar die, wen man da überhaupt interviewen lässt. Niggemeier zitiert eine 28-zeilige Frage von MDR-Moderator Lars Sänger und schreibt:

"[dieser Monolog] zeigt beispielhaft, dass es ein viel elementareres Problem gibt als die gerade mal wieder heftig diskutierte Frage, ob und wie man am besten ein Interview mit Björn Höcke führen sollte. Nämlich: Wie man überhaupt ein Interview führt. Kurz gesagt: So nicht."

Niggemeier seziert die gestellten Fragen, die eingeworfenen "Mhms" und vergleicht das Interview mit einem Negativ-Beispiel für Journalistenschulen. Da hat der MDR mit der Auswahl des interviewenden Journalisten wohl eher eine schlechte Wahl getroffen.

Machtkampf in der ARD

Nochmal MDR: Laut der "Mitteldeutschen Zeitung" soll es ab Mitte Juli mehr als zwei Wochen lang keine MDR-Regionalnachrichten auf der Seite und App der "Tagesschau" gegeben haben. Grund dafür sei ein Streit zwischen dem MDR und der Redaktion ARD-aktuell, bei dem es um digitale Reichweite geht, wie das Medienmagazin dwdl.de berichtet.

Die Regionalnachrichten, die der MDR der "tagesschau" zugeliefert hatte, waren zuletzt nicht als externe Texte gekennzeichnet gewesen und Leser wurden nicht mehr auf die Seiten der Landesrundfunkanstalten weitergeleitet. Das hat der Führungsetage des MDR offenbar so missfallen, dass sie die Lieferung der Regionalnachrichten an die "tagesschau" stoppte. Sie befürchtete, dass die eigene Seite mdr.de geschwächt werden und an Bedeutung verlieren würde.

Mittlerweile sind die Regionalnachrichten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wieder auf der Seite der "tagesschau" abrufbar – mit Verlinkung und Verweis auf den MDR am Anfang des Textes. Bei den Regionalnachrichten der anderen Landesrundfunkanstalten verweist weiterhin nur die Quelle auf die Herkunft des Textes.


Altpapierkorb (KI-Radio, die Crux der schnellen Umfrage, Streaminganbieter im Wandel)

+++ Bei "Übermedien" schreibt Boris Rosenkranz in "Seelenlos durch den Tag" über das erste Radioprogramm Deutschlands, das KI-betrieben ist. Der Sender bigGPT, ein Ableger von bigFM, "beschäftigt" die zwei Moderatoren bigLalya und bigBen, die angeblich "auch mal emotional" werden können. Rosenkranz bestreitet das.

+++ Die "Zeit" hat im Interview mit Sozialforscher Rainer Schnell nicht nur schnell gemachte Online-Umfragen hinterfragt, sondern auch sich selbst.

+++ Netflix, Disney, Paramount oder doch die Mediathek? Wie Streaminganbieter ihre Angebote gerade verändern und was auf den deutschen TV-Markt zukommen könnte, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" auf ihrer Medienseite.

+++ Ein Jahr ist es her, seitdem die damalige rbb-Intendantin Patricia Schlesinger fristlos entlassen wurde. In der "taz" erscheint ein Hintergrundbericht, der die Ereignisse von damals und den heutigen Stand des rbb zusammenfasst. +++

Das Altpapier am Dienstag schreibt Christian Bartels.

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